[Auf Reisen] »Kirche und Postmoderne« in Greifswald
19. Oktober 2007
Heute schreibe ich in liegender Position im Doppelbett der Jugendherberge zu Greifswald. Über mir schläft Daniel alias [depone], links Peter alias peregrinatio. Wir befinden uns auf dem »most strategic Symposium zu „Kirche in der Postmoderne“ ever« am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg. Kurze Auszüge, die ich als bedenkenswert erachte:
Lamin Sanneh – Third Wave Awakening and Concurrent Cultural Shifts: Renewal and Convergence in Post-Western Christianity
Das Christentum übersteigt seine Kultur. Es wird als einzige Weltreligion nicht in der Sprache seines Gründers weitergegeben, ist im Kontinent seines Ursprungs schwach. Für das Christentum gibt es keinen singulären „heiligen Boden“, da Gott der Missio Ecclesiae vorausgeht. Das Christentum muß in alle Kulturen inkarnieren. Der Ratschluß Gottes kann (ja muß!) den Marginalisierten so vermittelt werden, daß sie es verstehen. Wir brauchen mobile Kirchenstrukturen, kein attraktionelles Gemeindemodell, sondern einen gesandten Leib, der dort hin gehen muß, wo die Menschen sind und sie dort aufsuchen. Denominationen sind Brücken auf dem Weg der Menschen zu Gott, keine Hindernisse.
Andreas Feldtkeller – Kontextuelle Missionstheologie? Das Beispiel Mitteleuropa
Alle Theologie ist kontextuelle Theologie. Wir brauchen keine universale, an der Missio Dei orientierte Missionstheologie, sondern eine Missionstheologie aus dem Westen für die Menschen im Westen. Entscheidende Fragen sind: Wie kann Theologie missionarisch werden? Wie kann sie den Theologen missionarische Kompetenz geben? Theologie verfehlt ihre missionarische Kompetenz dann, wenn sie unter- oder überkontextualisiert ist. Zur Situation in Europa: Die Religionsfreiheit wurde teuer erkauft. Sie ist die geschichtlich hintergründigste Religionsfreiheit, die es auf der Welt gibt. Der Versuch der Rückgewinnung der aus den Volkskirchen ausgetretenen Mitgliedern kann von den Betroffenen als mangelnder Respekt vor ihrer Religionsfreiheit verstanden werden. Wir dürfen unsere missionarischen Möglichkeiten nicht durch den unsensiblen Gebrauch theologischer Richtigkeit verspielen. Mission im Kontext der Religionsfreiheit beudeutet, den Menschen ein Angebot zum Gebrauch ihrer Religionsfreiheit zu machen. „Es ist gut, wenn die Menschen wissen, daß sie auch andere tatsächlich verwirklichbare Möglichkeiten gehabt hätten.“ Wir dürfen die anderen Religionen nicht verzerrt darstellen, sondern sollten danach streben, das Evangelium im fairen Vergleich zum Leuchten bringen.
Heinz-Peter Hempelmann – Kenotische Partizipation. Philosophisch begriffene Postmoderne als theologische Herausforderung.
- Postmoderne als Position wäre ein Widerspruch in sich selbst und würde sich daher selbst aufheben
- Die Vernunft – das ist nichts anderes als Sprach-Metaphysik (Friedrich Nietzsche)
- Die Suche nach Sinn ist ein Anachronismus. Die Zukunft kommt ohne Sinn aus. (Rehfus?)
- Jesus als das Wort Gottes ist ein Wort unter anderen, aber nicht wie andere. Gemäß dem Hebräischen dabar, das »Wort« und »Ereignis« meint.
- Jesus trägt seine Wahrheit nicht leer vor sich her. Er steht außerhalb jeder Religion als System.
- Wenn Jesus Sinn behauptet, Sinn stiftet, dann dominiert er nicht; er dient. (…) Er macht sich selbst zum Mittel des Lebens anderer. Vgl. Mk 10,45.
- Interpretation heißt im Kontext Jesu, dem Leben einen Sinn geben, es ent-werten.
- Kirche setzt sich und ihre Wahrheit aus, indem sie ihre Theologie verläßt und sich auf die Menschen einläßt. Sie erwartet nicht, daß man unbedingt auf sie hört, aber daß man gerne hört. Wir sollen anderen zum Brief Christi werden. Darum: Personelle Präsenz statt propositioneller Proklamation. Kirche mischt mit und mischt sich dazwischen. Kirche arbeitet daran, ihr Image als moralische Instanz zu verlieren.
Update:
Ein kurzer Verweis von idea auf den Vortrag von Lamin Sanneh: Das Abendland ist nicht mehr Zentrum der Christenheit.
Technorati Tags: Gemeinde, Postmoderne
Freitag 19. Oktober 2007 um 17:20
Wie ich euch beneide …
Freitag 19. Oktober 2007 um 19:39
Karl, ich auch. Wir sind einfach zu verpeilt/blöd…
Aber danke für die für die Mitschriften/Berichte, Dosi!
Freitag 19. Oktober 2007 um 19:46
„Kirche arbeitet daran, ihr Image als moralische Instanz zu verlieren.“ Wie das gemeint war, würde mich interessieren: Soll seiner Meinung Kirche diese Rolle verlassen? Oder findet er es schlecht, wenn sie es täte?
Euch noch ne gute Zeit!
Freitag 19. Oktober 2007 um 19:52
Hey Alex,
aus seiner Sicht wäre es fein, wenn die Kirche dieses Image verlieren würde. Deshalb soll sie sich darum bemühen.
Freitag 19. Oktober 2007 um 20:17
[…] Sikinger: • Auf Reisen – »Kirche und Postmoderne« in Greifswald • [Auf Reisen] »Kirche und Postmoderne« II – Samstag […]
Donnerstag 3. Januar 2008 um 19:03
Das ist ja höchst intellektuell. Bin ich der Einzige, der das nicht ganz versteht ?
Freitag 4. Januar 2008 um 16:45
@Jan: Willkommen unbekannterweise! Sorry, die Posts zum Symposium in Greifswald sind sehr stichwortartig gehalten und waren mehr als Service für die Interessierten gedacht, die dabei sein wollten, aber nicht konnten.